Das BIP* addiert Geldflüsse zur herrschenden Maßzahl gesellschaftlicher Entwicklung -- in der überlieferten Annahme, dass sich gesellschaftliche auf wirtschaftliche Entwicklung, diese auf Wirtschaftswachstum, und jenes wiederum auf die Steigerung von Produktion und die Ausdehnung von Märkten reduzieren ließe. Das BIP erweist sich demnach als wirkmächtige Repräsentation dessen, was irgendwann vom Fortschritt übrigblieb: materieller Wohlstand, Wachstum und Wirtschaft, und am besten immer mehr desselben.

Das vielschichtige Elend dieser reduktionistischen ökonomischen Wertrechnung haben wir in unserem Schwerpunkt zur Krise und Kritik des BIP eingehend beleuchtet. Hier möchten wir einen Überblick über mögliche Alternativen zum BIP geben -- und derer gibt es einige. Wir stellen die 26 interessantesten in Kurzprofilen vor: was sie wollen, was sie können, wer dahintersteckt -- und was wir davon halten.

 

Vorweg: Diese Alternativen sind zum Teil so alt wie das BIP selbst -- wenn man bedenkt, dass die landläufig als seine "Erfinder" gehandelten Querdenker, Colin Clark in England und Simon Kuznets in den USA, eigentlich noch das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte als Ausgangsgröße herangezogen hatten -- wie bei heutigen Alternativvorschlägen allgemein üblich. Der Staat als wirtschaftlicher Akteur -- und damit der Fokus auf den "Gesamtwert der Produktion", auf gesamtwirtschaftliche Steuerung und auf Output-Maximierung -- kam erst mit der Wende zur keynesianischen Wirtschaftspolitik zur Jahrhundertmitte ins Spiel (Lepenies 2013 : 98f). Ohne diesen Paradigmenwechsel wäre das BIP in Weltwirtschaftskrise, Weltkrieg und Wiederaufbau gewiss nicht so erfolgreich gewesen -- Hand in Hand mit der Makroökonomik, der selbstbewussten "modernen Leitwissenschaft" jener Ära (vgl. Speich Chassé 2013). Es hätte mithin auch nicht den zentralen Stellenwert als Maßzahl gesellschaftlicher Entwicklung erlangt, den wir ihm heute nicht mehr abnehmen.

Nicht erst heute.Das BIP (damals noch BSP) geriet politisch erstmals schon gegen Ende der Nachkriegszeit, in den späten 1960ern, in die Kritik -- stellvertretend für das Wirtschaftswunder des "demokratischen Kapitalismus", das nun, nach Jahrzehnten erfolgreicher Vertagung der sozialen Frage durch Wirtschaftswachstum, an seine Verwertungsgrenzen stieß (vgl. Streeck 2013). Und nicht nur das: Die 68er, die junge Umweltbewegung, soziale und politische Revolutionen, die Krise der Entwicklungspolitik, eine heraufdräuende post-materialistische Sinnkrise -- all das macht deutlich, dass die Krise der 1970er mehr war als eine bloße Wirtschaftskrise, mit sinkenden Wachstumsraten, steigender Arbeitslosigkeit und Inflationstendenzen. Sie war vielmehr auch und vor allem eine neuartige soziale Krise und die allererste ökologische Krise im Weltmaßstab -- und beides aus dem selben Grund: Nach dem alten Rezept ließ sich der Kuchen nicht mehr viel größer backen. Und gerechter teilen war nie vorgesehen gewesen.

Die neoliberale Revolution sollte die Bäckerei wieder auf Vordermann bringen (um in dieser Metapher zu bleiben) -- und zwar durch mehr Kapitalismus und weniger Demokratie (vgl. Harvey 2007, Crouch 2011). Aber auch wenn das BIP -- und somit "die Wirtschaft" -- seither durch Globalisierung, "New Economy" und Finanzialisierung (bzw. durch wachsende Ausbeutung, Staats- und Privatverschuldung und die erzwungene Sozialisierung von Verlusten) in Nordamerika und Europa mal etwas mehr, mal nur sehr gering zu wachsen schien: Genauer betrachtet zeigt sich, dass dieses Wachstum seit der fundamentalen Krise der 1970er eigentlich schon keines mehr war, weil es -- in wachsendem Maß -- auf Kosten von Mensch und Natur, weltweit, erwirtschaftet wurde. Schuldenkrise, wachsende Ungleichheit, Ausbeutung und Umweltzerstörung, und nicht zuletzt der Klimawandel sind die sichtbarsten Zeichen dafür -- Dinge, die das BIP-Wachstum aber nicht nur in Kauf nimmt, sondern die es eben kostet.

BIP vs. Wohlfahrt

Die Fakten sind weithin bekannt, die multiplen Krisen nicht mehr zu übersehen, der Zusammenhang mit neoliberaler Wirtschaftspolitik überdeutlich. Das BIP als Maßzahl gesellschaftlicher Entwicklung führt uns in die Irre -- und womöglich ins Verderben. Nichts bringt das vielleicht eklatanter zum Ausdruck als wiederum eine Zahl -- eine andere Zahl, oder noch besser viele andere Zahlen, die auf ganz unterschiedliche Art auf den Punkt bringen, dass es so nicht weitergehen kann. Das ist ihr gemeinsamer Nenner. Bei den im Folgenden graphisch, in Zeitreihen dargestellten Kennzahlen handelt es sich um den GPI - Genuine Progress Indicator (Quelle der Graphik: Fioramonti 2015 nach Kubiszewski et al. 2013), den ISH - Index of Social Health (Quelle: Demos.org), um einen Indikator für "Lebensglück" (Quelle: Easterlin 2005) und den EFP - Ecological Footprint (Quelle: WWF Living Planet Report 2012).

BIP vs. soziale GesundheitDie Darstellungen zeigen überdeutlich, dass ökonomische Wohlfahrt, soziale Gesundheit, Lebensglück und ökologische Nachhaltigkeit mit Wirtschaftswachstum, gemessen am BIP, entweder wenig zu tun haben, oder dass sie sogar negativ davon beeinflusst werden -- zumindest ab einem bestimmten Zeitpunkt: Seit den 1970ern gehen Wirtschaftswachstum und ökonomische Wohlfahrt (hier exemplarisch für die USA) immer deutlicher getrennte Wege -- letztere stagniert mit fallender Tendenz. Seit den 1970ern leidet die soziale Gesundheit (hier exemplarisch für die USA) und hat das Ausgangsniveau, trotz New Economy Boom, nicht wieder erreicht. Seit den 1970ern stagniert das durchschnittliche Lebensglück (hier exemplarisch für die USA) -- keine Besserung in Sicht. Und seit den 1970ern verbrauchen wir weltweit im Schnitt mehr an Ressourcen, als unsere Erde auf Dauer hergeben kann -- Tendenz steigend. Diese vier Kennzahlen zeigen somit, jede für sich, die Grenzen der BIP-zentrierten Wohlstandsmessung auf, weil sie ihre blinden Flecken und ihre Schattenseiten beleuchten.

BIP vs. Lebensglück

Zugleich repräsentieren diese Kennzahlen unterschiedliche Zugänge, eine Alternative zum BIP als Maßzahl gesellschaftlicher Entwicklung zu entwickeln. Inhaltlich unterscheiden sie sich durch den jeweiligen Fokus auf ökonomische Wohlfahrt, auf gesellschaftlichen Fortschritt, auf subjektives Wohlbefinden oder ökologische Nachhaltigkeit (vgl. Fioramonti 2015). Methodologisch betrachtet stehen sie für monetäre "Accounting-Ansätze", zusammengesetzte Indikatoren bzw. Indizes und für individuelle Messgrößen in unterschiedlichen physischen Einheiten, die ggf. auch zu mehrdimensionalen "Dashboards" oder "Tableaus" zusammengestellt werden können (vgl. Diefenbacher et al. 2013 : 34f). BIP vs. ökolog. Nachhaltigkeit
Von der Strategie her unterscheiden sie sich dahingehend, dass sie das BIP entweder partiell korrigieren bzw. zu einem Wohlfahrtsmaß ausbauen, es um zusätzliche soziale und ökologische Aspekte gleichrangig ergänzen oder letztlich als Maßzahl gesellschaftlicher Entwicklung vom Thron stoßen und an seine Stelle treten wollen (vgl. Fioramonti 2013 : 83ff). Typischerweise überschneiden sich inhaltliche, methodologische und strategische Aspekte so weit, dass wir die wichtigsten Alternativen zum BIP hier grob vier Gruppen zuordnen möchten (im Anhang finden Sie die Auflistung aller hier vorgestellten Alternativen gemäß dieser Systematik):

1) "Accounting"-Ansätze, die das BIP innerhalb seiner eigenen Systematik korrigieren und zu einer Maßzahl nachhaltiger ökonomischer Wohlfahrt erweitern sollen: Dazu werden vernachlässigte Strom- ("Externalitäten") und Bestandsgrößen ("Kapitale") monetär bewertet und zu einer Maßzahl aggregiert, welche ökonomische Wohlfahrt umfassender und mit Blick auf ihre nachhaltige Erzeugung messen soll.

2) Zusammengesetzte Indikatoren bzw. Indizes, die das BIP als integrierte, mehrdimensionale Maßzahlen gesellschaftlichen Fortschritts ergänzen oder ersetzen sollen: Dazu werden ökonomische, soziale und ökologische, objektive ("capability") und subjektive ("happiness") Einzel-Indikatoren in unterschiedlicher Zahl, mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung und unterschiedlichen Bewertungs-, Gewichtungs- und Aggregierungsverfahren zu einem Gesamtscore aggregiert, welcher gesellschaftlichen Fortschritt umfassender und mit Blick auf seine nachhaltige Erzeugung messen soll.

3) Zusammengesetzte Indikatoren bzw. Indizes, die das BIP um den Aspekt ökologischer Nachhaltigkeit ergänzen sollen: Dazu werden ökologische -- ergänzend aber auch soziale und ökonomische -- Indikatoren zu einer Maßzahl aggregiert, welche die Nachhaltigkeit einer Wirtschaftsweise messbar machen soll.

4) "Dashboards" oder "Tableaus", die dem BIP zusätzliche Messgrößen gleichrangig an die Seite stellen sollen: Dazu werden bedeutsame und aussagekräftige soziale, ökologische, aber auch ökonomische Maßzahlen neben dem BIP zu einer der Art "Armaturenbrett" montiert, welches zentrale Stellgrößen gesellschaftlicher Entwicklung in ihrer Eigenart, aber auch im Zusammenhang miteinander abbilden soll.

Das Angebot -- um nicht zu sagen: der Markt der Alternativen zum BIP ist überraschend groß und vielfältig -- fast vergleichbar mit dem wohlbekannten "Gütesiegeldschungel" im Reich der mehr oder weniger "nachhaltigen" Produkte. Jede dieser Varianten -- ob korrigiertes BIP, Sozial- oder Öko-Index, oder Tableau -- hat ihre spezifischen Vor- und Nachteile. Auf diese kommen wir gleich noch zu sprechen. Vorweg aber noch ein Wort zu diesem neu erwachten Interesse an BIP-Alternativen, nachdem es nach den 1970ern -- mit prominenter Ausnahme vielleicht des HDI (1985) und des ISEW (1989, daraus der GPI 1995) -- doch relativ ruhig geblieben war, was Kritik und Entwicklung von Alternativen zum BIP angeht.

In der Tat: Seit den 00er-Jahren erfährt die Kritik am BIP und die Arbeit an Alternativen eine bemerkenswerte Renaissance -- sowohl was die Fülle und Eigenart der Ideen angeht, als auch hinsichtlich der beteiligten Akteure. Weltbank und OECD präsentierten ab der Jahrtausendwende nach und nach neue Zusammenstellungen ihrer Statistiken zur Ergänzung und Korrektur des BIP -- und lieferten v. a. mit dem Ansatz der ANS - Adjusted Net Saving und dem BLI - Better Life Index bleibende Beiträge zur aktuellen Diskussion. Die Europäische Union veranstaltete 2007 eine breit angelegte Konferenz zur Sichtung bestehender Alternativen mit dem ehrgeizigen Titel "Beyond GDP". Im selben Jahr führte das Königreich Bhutan eine erste Erhebung zum "BNG - Bruttonationalglück" im Himalaya-Staat durch -- und blieb damit, zumindest was die offizielle Legitimation, die transparente Dokumentation und die enge Anbindung dieser alternativen Maßzahl an politische Prozesse angeht, bislang unerreicht (und wohl auch, was Aufmerksamkeit und kontroverse Diskussion angeht). Mit Einbruch der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise wurden dann auch im Westen nationale politische Initiativen gesetzt. In Frankreich installierte 2008 Präsident Nicolas Sarkozy höchstselbst eine prominent besetzte Kommission, geleitet von Joseph Stiglitz und beraten von Amartya Sen, mit dem einzigen Zweck, alternative Wege zur Messung wirtschaftlicher Entwicklung und gesellschaftlichen Fortschritts aufzuzeigen -- was sie in den 2009 publizierten SSFC - Empfehlungen auch tat. Ebenfalls 2009 veröffentlichtete die britische Sustainable Development Commission einen vielbeachteten, programmatischen Bericht zu Notwendigkeit und Möglichket eines Wohlstands ohne Wachstum, verfasst vom Ökonomen Tim Jackson (vgl. ders. 2011). In Deutschland wurde 2011 eine aus Bundestagsabgeordneten und ExpertInnen besetzte "Enquete-Kommission" ins Leben gerufen, die u. a. mit den W³ Indikatoren eine alternative Messzahl für Wohlstand und Lebensqualität entwerfen sollte. Im selben Jahr wurde in Deutschland auch der NWI - Nationaler Wohlfahrtsindex erstmals in einer regionalen Variante (RWI für Schleswig-Holstein) berechnet -- weitere folgten 2013. In Canada wurde 2011 der erste nationale Bericht auf Basis des CIW - Canadian Index of Wellbeing erstellt -- 2014 folgte der erste Bericht auf Provinzebene für Ontario. 2012 übernahm Maryland als erster US-Bundesstaat den GPI - Genuine Progress Indicator als zentrale Kennzahl zur Messung ökonomischer Performance und als Basis für legislative & budgetäre Entscheidungen -- Vermont, Oregon und Washington State folgten kurz darauf. In Österreich schließlich wurde im selben Jahr mit dem Survey "Wie geht's Österreich?" der erste alternative Indikatorensatz eingesetzt, der die Empfehlungen der Stiglitz-Sen-Fitoussi-Kommission (die SSFC - Empfehlungen) und des darauf basierenden ESS - Europäischen Statistischen Systems für alternative Kennzahlen gesellschaftlichen Fortschritts berücksichtigte.

Diese Entwicklungen machen Mut. Auch wenn einige der Initiativen gestoppt wurden oder bislang politisch folgenlos geblieben sind: Die britische Kommission etwa wurde 2011 von der neuen Koalition von Tories und Liberalen einfach abgeschafft. Von der französischen Kommission blieb nicht viel mehr als ihr Abschlussbericht, wenngleich die darin enthaltenen Empfehlungen bis heute nachhallen. Um die deutsche Kommission ist es auch recht still geworden -- und die österreichische Plattform "Wachstum im Wandel" hält zumindest den Dialog um Themen in diesem weiten Bedeutungshof offen. Andere Initiativen haben aber weltweit bereits praktisch Fuß gefasst. Nimmt man die vielen privaten, von Unis, Forschungseinrichtungen und Think Tanks, aber auch von supranationalen Organisationen ausgearbeiteten Alternativen hinzu, so ergibt das ein sehr buntes Bild davon, wie man gesellschaftliche Entwicklung anders, und wahrscheinlich um einiges besser sichtbar machen könnte als durch das BIP.

In diesem Schwerpunkt werden einige -- die u. E. wichtigsten -- dieser Initiativen im Rahmen der oben vorgeschlagenen Systematik vorgestellt. Keine der vorgestellten Kennzahlen -- und wohl auch keiner der systematischen Ansätze -- kann wohl für sich beanspruchen, die fertige Lösung für das Problem zu liefern, wie man die Entwicklung einer Gesellschaft umfassend richtig messen und in die richtige Richtung lenken kann. Genausowenig wie das BIP, aber häufig wohl doch um einiges besser.

Letzenendes geht es aber gar nicht darum, die eine durch eine andere Zahl (oder auch ein anderes Tableau an Zahlen) zu ersetzen, welche/s uns sagen soll, wo's lang geht. Abgesehen von rein theoretischen und auch methodologischen Fragen, die damit unweigerlich verbunden sind, ist die grundlegende Problematik nämlich eine ethische und politische: In welche Richtung sich eine Gesellschaft entwickeln soll, muss letztlich auf demokratischem Weg entschieden werden. Erst dadurch ist sichergestellt (oder zumindest vorgesehen), dass die festgelegten Ziele auch legitim sind und verbindlich angesteuert werden. Andernfalls handelt es sich, wie heute selbst bei staatlicherseits administrierten Erhebungen bspw. zur Nachhaltigkeit meist der Fall, um zwar wichtige, aber praktisch häufig ignorierte Informationen. Am Wissen, dass und wie gehandelt werden müsste, mangelt es nämlich eher nicht -- eher schon am wahrgenommenen Handlungsspielraum und an verbindlichen, demokratisch legitimierten Entscheidungen.

Wir möchten aber auch kein Hehl daraus machen, wie wir uns eine Alternative zum BIP vorstellen könnten. Wir finden, es braucht von allem etwas: ein "korrigiertes BIP", das so klar im Ansatz ist wie die S/MEW - Sustainable/Measure of Economic Welfare und dabei so konsequent wie der NWI - Nationale Wohlfahrtsindex; einen "Fortschritts-Index", der so breit verfügbar ist wie der HDI/HSDI - Human /Sustainable/ Development Index, und dabei so originell und stark in der Aussage wie der ISH - Index of Social Health; einen "Glücks-Index", der so partizipativ konzipiert ist wie der CIW - Canadian Index of Wellbeing, so gut in den politischen Prozess eingebunden wie der Index des BNG - Bruttonationalglück -- und so "crisp" wie der HPI - Happy Planet Index; einen Öko-Index, der so etabliert und anschaulich ist wie der EFP - Ecological Footprint, und so fundiert wie das EEA-CSI Core Set of Indicators; und ein Indikatoren-Tableau, das ein mindestens so starkes politisches Mandat hat wie die W³ Indikatoren, und so gut auf dem aktuellen Diskussionsstand aufbaut wie der Indikatorensatz Wie geht's Österreich?

Und wir machen auch kein Hehl daraus, dass wir aus komplizierten (d. h. nicht nur komplexen), wenig originellen und dabei vom Ergebnis her weitgehend BIP-kompatiblen "Alternativen" privater (meist konservativer) Think Tanks (wie v. a. dem LPI - Legatum Prosperity Index und dem SPI - Social Progress Index) nicht viel halten. Wir halten sie vielmehr für verzichtbar und geben im Zweifelsfall -- außer wenn es sich um besonders innovative Ansätze handelt -- offiziellen, im Idealfall demokratisch legitimierten Maßzahlen den Vorzug. Demokratie ist ein Punkt, in dem hier generell noch Nachholbedarf besteht. Wenn wir -- auf Basis des aktuellen Diskussionsstandes -- als zentrale Prinzipien für "gute Alternativen" die Berücksichtigung der Haushaltsperspektive, der Verteilungsfrage, der nicht-marktlichen Produktion, der "Befähigung" und des "Wohlbefindens" als Aspekte der Lebensqualität, der ökologischen Nachhaltigkeit (in physischen Einheiten), der Accounting-Perspektive (wo sie hingehört) und der Einrechnung von durch die "Inlands"-Perspektive verborgenen Externalitäten benennen können, so möchten wir dem noch einen wichtigen Punkt hinzufügen: Eine brauchbare Alternative zum BIP muss so gut es geht -- von der Konzeption über die Erhebung bis zur Umsetzung -- in den demokratischen Prozess integriert sein. All diese Maßzahlen könnten letztlich neue Werkzeuge sein, mehr Demokratie in unsere Wirtschaft zu bringen -- und das wäre ja fürs Erste schon etwas. Vieles könnte folgen.

 

ÜBERBLICK ÜBER DIE HIER VORGESTELLTEN ALTERNATIVEN KENNZAHLEN 

1) "Accounting"-Ansätze, die das BIP innerhalb seiner eigenen Systematik korrigieren und zu einer Maßzahl nachhaltiger ökonomischer Wohlfahrt erweitern sollen: Dazu werden vernachlässigte Strom- ("Externalitäten") und Bestandsgrößen ("Kapitale") monetär bewertet und zu einer Maßzahl aggregiert, welche ökonomische Wohlfahrt umfassender und mit Blick auf ihre nachhaltige Erzeugung messen soll. Zu dieser Gruppe gehören (in der Reihenfolge ihrer Entwicklung)

2) Zusammengesetzte Indikatoren bzw. Indizes, die das BIP als integrierte, mehrdimensionale Maßzahlen gesellschaftlichen Fortschritts ergänzen oder ersetzen sollen: Dazu werden ökonomische, soziale und ökologische, objektive ("capability") und subjektive ("happiness") Einzel-Indikatoren in unterschiedlicher Zahl, mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung und unterschiedlichen Bewertungs-, Gewichtungs- und Aggregierungsverfahren zu einem Gesamtscore aggregiert, welcher gesellschaftlichen Fortschritt umfassender und mit Blick auf seine nachhaltige Erzeugung messen soll. Zu dieser Gruppe zählen

>> mit Schwerpunkt auf objektive Indikatoren

>> mit Schwerpunkt auf subjektive Indikatoren

3) Zusammengesetzte Indikatoren bzw. Indizes, die das BIP um den Aspekt ökologischer Nachhaltigkeit ergänzen sollen: Dazu werden ökologische -- ergänzend aber auch soziale und ökonomische -- Indikatoren zu einer Maßzahl aggregiert, welche die Nachhaltigkeit einer Wirtschaftsweise messbar machen soll. Zu dieser Gruppe zählen

4) "Dashboards" oder "Tableaus", die dem BIP zusätzliche Messgrößen gleichrangig an die Seite stellen sollen: Dazu werden bedeutsame und aussagekräftige soziale, ökologische, aber auch ökonomische Maßzahlen neben dem BIP zu einer der Art "Armaturenbrett" montiert, welches zentrale Stellgrößen gesellschaftlicher Entwicklung in ihrer Eigenart, aber auch im Zusammenhang miteinander abbilden soll. Zu dieser Gruppe gehören