In den 70er Jahren machte ein Artikel des Wissenschaftlers Robert Oakshott mit dem Titel „Mondragon – Spains Oasis of Democracy" auf ein einzigartiges Experiment aufmerksam: die Genossenschaften der Mondragónbewegung im spanischen Baskenland. MCC (Corporacion Cooperativa Mondragón) ist heute das siebtgrößte Unternehmen Spaniens und gilt als das weltweit erfolgreichste genossenschaftliche Unternehmen.

Zu MCC gehören 103 Genossenschaften mit 120 Tochterunternehmen, die 14 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften. Von den knapp 80.000 Beschäftigten arbeiten 63.000 in Spanien (davon 31.000 im Baskenland) und ca 80 % sind Genossenschaftsmitglieder - also EigentümerInnen der Unternehmen.

Trotz seiner Größe wird Mondragón als demokratisches Unternehmen bezeichnet. Die Beschäftigten sind zu gleichen Teilen am Grundkapital und den Gewinnen der Genossenschaft beteiligt und in die Entscheidungen des Führungspersonals durch demokratische Abstimmungsprozesse eingebunden. Die maximale Lohnspreizung zwischen Top-Management und Beschäftigten darf nicht mehr als 1 zu 8 betragen. Das oberste Organ der einzelnen Genossenschaften bildet die Generalversammlung der Mitglieder. Von ihr wird der Vorstand gewählt, der über die Besetzung der leitenden Positionen im Unternehmen entscheidet, aber den Vorgaben der Generalversammlung unterliegt. Ein Sozialrat nimmt zusätzlich die Interessen der GenossInnen als Arbeitende wahr. Auf der Ebene der Dachorganisation MCC bilden 650 VertreterInnen der einzelnen Genossenschaften ein „Parlament“ – die Generalversammlung. Sie ist das oberste Vertretungs- und Entscheidungsorgan der genossenschaftlichen Unternehmensgruppe von Mondragón.

Wirtschaftlich wie gesellschaftlich ist MCC ein Erfolgsmodell: Laut Studien der Weltbank sind die MCC-Genossenschaften nicht nur die Unternehmen in Spanien mit der höchsten Produktivität, sie haben Krisen besser gemeistert als andere Unternehmensformen, Neugründungen waren deutlich erfolgreicher, da sie auf ein solidarisches Netzwerk bauen konnten.

Die Region um Mondragon hat den höchsten Lebensstandard und –zufriedenheit weltweit und eine der egalitärsten Einkommensverteilungen, die Arbeitslosigkeit beträgt nie mehr als ein Drittel der in Spanien üblichen, 5 % der Gewinne gehen in Form von Sozial- und Kulturprojekten an die Gesellschaft zurück. Kaum wo gibt es so viel zivilgesellschaftliches, ehrenamtliches Engagement. Jedes Kind weiß, was eine Genossenschaft ist, dass Probleme und gemeinsame Aufgaben am besten durch demokratische Prozesse gelöst werden und dass Kooperation und Solidarität geeignetere gesellschaftliche Prinzipien sind als Wettbewerb und Egoismus.

Die Schattenseiten sollen nicht verschwiegen werden: Mit der enormen Größe und dem schnellen Wachstum entstand eine Tendenz zu weniger demokratischen Entscheidungsformen bzw. zu einer Formalisierung der Demokratie bei Mondragon. Einzelne Genossenschaften haben sich in den letzten Jahren von MCC abgespalten, da sie mehr betriebliche Demokratie in ihren Genossenschaften verwirklichen wollten.

Warum ist Mondragon so interessant? Mondragon regt die Fantasie an. Mondragon zeigt uns, dass wir Wirtschaft viel lebensfreundlicher und kreativer gestalten können als uns die Sachzwangrethorik und die dominante Wirtschaftsideologie weiszumachen versuchen.

Mondragon ist eine real existierende Alternative – und das seit 60 Jahren – und stellt damit die herrschende Logik in Frage. There are Alternatives! Und Mondragon erinnert daran, dass die Ökonomie eine dienende gesellschaftliche Funktion hat.

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