In der Sharing Economy geht es – wie der Name bereits vermuten lässt – ums Teilen. Dass teilen gut und wichtig ist, lernen wir nun ja bereits im Kindesalter und geteilt werden kann nahezu alles, vom Pausenbrot übers Auto bis hin zu speziellem Wissen. Im Großen und Ganzen also nichts Neues und trotzdem haben Internet, Smartphone & Co. es geschafft, das altgewohnte Konzept des Teilens zu revolutionieren und ihm einen neuen Namen zu geben. Durch die Medien schwirren verschiedene Bezeichnungen für dieses neue Konzept des Teilens – neben der Sharing Economy (oder auch Shareconomy) wird auch von Collaborative Consumption (auch Ko-Konsum, gemeinschaftlicher Konsum), der gemeinschaftlichen Nutzung oder auch von der Peer Economy gesprochen. Eine genaue Abgrenzung der Begriffe ist schwierig und vielleicht auch gar nicht notwendig, denn worum es geht, ist schlussendlich die Idee die hinter den Begriffen steckt.

Das Ziel hinter der Idee der Sharing Economy ist es, den negativen Konsequenzen unseres Konsumverhaltens entgegenzuwirken. Tagtäglich kaufen wir neue Dinge, verwenden sie für eine uns angemessen erscheinende Zeit, nach deren Verstreichen wir sie dann schlussendlich wegwerfen. Dieses Verhalten bleibt natürlich nicht ohne Folgen. Die negativen Auswirkungen des Konsumierens sind weitreichender als es auf den ersten Blick scheinen mag und sind vermutlich vielen auch gar nicht bewusst, da das Konsumieren längst zur Routine geworden ist und nicht als bewusste Handlung mit all ihren Konsequenzen wahrgenommen wird. Bei näherem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass den Menschen durch geschickte Marketingstrategien immer wieder neue Wünsche und Bedürfnisse auferlegt werden, während sie in dem Glauben bleiben, freie und eigenständige Entscheidungen zu treffen. Als Gesellschaft vereinsamen wir, da viele nur mehr damit beschäftigt sind, genügend Geld zu verdienen und es dann – zumeist alleine – beim Einkaufen wieder auszugeben. Was dabei vor allem knapp wird, ist die Zeit. Zeit die ansonsten für gesellschaftliches Engagement oder Familie, Freunde und Nachbarschaft zur Verfügung stehen würde. Zu guter Letzt muss natürlich auch der Einfluss auf die Umwelt bedacht werden, die unter dem hohen Ressourcenverbrauch und der Verschmutzung durch Produktion, Transport und Entsorgung leidet.

Doch langsam zeichnet sich eine Änderung der Werte und Vorstellungen hinsichtlich des Konsumierens und der Bedeutung von Besitz in der Gesellschaft ab, durch welche die Entwicklung von neuen Konzepten, wie der Sharing Economy, möglich wird. Erfolgreiche Initiativen wie Couchsurfing, Willhaben oder Carsharing, aber auch länger etablierte Einrichtungen, wie öffentliche Bibliotheken oder Waschsalons, zeigen vor, wie es geht. Güter, Dienstleistungen und Fähigkeiten werden, alternativ zu herkömmlichem Konsum und Besitz, geteilt, getauscht oder verschenkt.

Die zunehmende Bedeutung der Sharing Economy zeigt sich auch an der steigenden Anzahl an populär-wissenschaftlicher Literatur zum Thema, sowie durch die anhaltende Präsenz in den Medien. Das wohl bekannteste Buch zum Thema stammt von Rachel Botsman und Roo Rogers und trägt den Titel „What's Mine is Yours: The Rise of Collaborative Consumption“. Botsman und Rogers unterscheiden zwischen drei Bereichen der Sharing Economy: Produkt-Dienstleistungssysteme (Product Service Systems / PSS), Redistributionsmärkte (Redistribution Markets) und Kollaborative Lebensstile (Collaborative Lifestyle).

Durch Produkt-Dienstleistungssysteme werden Produkte zu Dienstleistungen gemacht, was bedeutet, dass die Produkte nur für eine bestimmte Zeit gegen Entgelt oder kostenfrei genutzt werden können, ohne dass es dabei zu einer Übertragung des Eigentums kommt. Klassisch für diese Kategorie sind alle Formen von Bibliotheken – Bücher oder DVDs beispielsweise verlieren zumeist nach einmaligem Gebrauch an Wert, werden vielleicht überhaupt nur einmal verwendet, bevor sie dann im Regal verstauben. In der Landeshauptstadt Graz gibt es seit kurzem auch den Allerleihladen, in dem unter anderem Werkzeuge, Haushaltsgeräte oder Spiele ausgeliehen werden können. Wenn man weiß, dass eine Bohrmaschine im Laufe ihres Lebens nur wenige Minuten benutzt wird, macht die Überlegung eine zu besitzen, im Vergleich dazu eine auszuleihen, wenig Sinn. Dasselbe gilt für Autos, weshalb in den letzten Jahren auch vermehrt verschiedenste Carsharing-Modelle oder Mitfahrbörsen entstanden sind. Zu den Produkt-Dienstleistungssystemen zählen außerdem Angebote, die die Lebensdauer eines Produkts verlängern, wie beispielsweise Reparaturen oder Upgrades. In vielen Städten finden in regelmäßigen Abständen sogenannte Repair Cafés statt. Bei diesen Treffen hat man die Möglichkeit, defekte Gegenstände oder Geräte mit der Hilfe von Expertinnen und Experten zu reparieren. Manchmal steht sogar ein 3D-Drucker zur Verfügung, womit Ersatzteile, die nicht mehr nachgekauft werden können, vor Ort hergestellt werden können.

Redistributionsmärkte bieten die Möglichkeit, Dinge, die man nicht mehr benötigt, an andere weiterzuverkaufen, zu verschenken oder auch gegen etwas anderes zu tauschen. Dadurch wird das Nutzungspotenzial von Produkten voll ausgenutzt und die Produktlebenszyklen werden erheblich verlängert. Durch Internetplattformen und soziale Netzwerke ist es heutzutage leicht sich mit anderen zu vernetzen. In Österreich bietet beispielsweise die Plattform Willhaben die Möglichkeit, Fahrzeuge und Güter aller Art anzubieten. Vielerorts finden – in kleinerem oder größerem Rahmen – Tauschevents statt, wie beispielsweise der Modezirkus. Bei diesem Event hat man die Möglichkeit, nicht mehr benötigte Kleidungstücke abzugeben und im Gegenzug dazu etwas von einer anderen Person nicht mehr Gewolltes mitzunehmen. Für jedes abgegebene Kleidungsstück kann man ein „neues“ mitnehmen. Auf diese Art und Weise kann vermieden werden, dass der Pullover vom letzten Winter oder das Kleid, das leider nicht mehr passt, nicht zu „Schrankleichen“ werden oder gar frühzeitig im Mülleimer landen. Gleichzeitig bieten solche Events eine Alternative zu den großen Modeketten, die uns alle paar Monate neue Trends und Stile vorschreiben. Außerdem findet man vielleicht auch etwas ganz Besonderes und Ausgefallenes und ebenso kann anderen Menschen mit den abgegebenen Dingen eine Freude gemacht werden.

Doch nicht nur Gebrauchsgegenstände wie Autos, Bücher oder Werkzeuge, sondern auch Zeit, Geld, Räumlichkeiten, Lebensmittel und Fertigkeiten können geteilt und getauscht werden. Diese Möglichkeiten werden unter dem Begriff kollaborativer Lebensstil zusammengefasst. Hierzu zählen beispielsweise Coworking Spaces, Gemeinschaftsgärten, Parkmöglichkeiten oder Plattformen auf denen Zeit, Lebensmittel oder auch Aufgaben geteilt werden. Ein bekanntes Beispiel für diesen Bereich ist die Online-Plattform Couchsurfing. Eines der Ziele der Plattform ist es, den Mitgliedern zu ermöglichen, eine Stadt oder ein Land durch die Augen einer/eines Einheimischen zu entdecken. Wie der Name bereits vermuten lässt, haben Mitlieger die Möglichkeit, anderen ihre Couch, ihr Gästebett oder sonstige Schlafmöglichkeiten anzubieten oder das Angebot eines anderen Mitglieds in einer anderen Stadt zu nutzen. Nebenbei erhält der/die Couchsurfer/in einen Einblick in die andere Kultur und das Alltagsleben, lernt neue Menschen kennen und kann Kenntnisse und Fähigkeiten austauschen.

Anhand der genannten Initiativen und Plattformen kann man erkennen, dass die Sharing Economy eine Reihe von positiven Auswirkungen auf die Menschen, die Gesellschaft als Ganzes und die Umwelt haben kann. Die Menschen rücken wieder näher zusammen, kommen bei Transaktionen ins Gespräch, lernen die Nachbarschaft kennen. Ganz nebenbei kann man sich auch noch ein bisschen Geld sparen bzw. eventuell auch welches verdienen. Produkte werden länger und effizienter genutzt, Abfall kann vermieden werden, Ressourcen geschont. Doch nicht alle nehmen das Konzept als das was es sein soll, sondern versuchen, damit Profit zu machen, Arbeitskraft auszunutzen oder eine Idee als nachhaltig zu verkaufen. Diese Ausnahmen sollten aber nicht dazu beitragen ein schlechtes Bild auf die Sharing Economy zu werfen. Was zählt ist, dass die Entwicklung der Sharing Economy ein Umdenken in der Gesellschaft erkennbar macht und dass mit den richtigen Zielen vor Augen eine Verbesserung der gegenwärtigen Situation erreicht werden kann.


weiterführende Literatur

Rita Gsöls: Nutzen statt Besitzen. Eine kritische Betrachtung des Konzepts der gemeinschaftlichen Nutzung

Mehr zu Fragen der Konsumethik allgemein finden Sie unter unseren Lehrmaterialien.